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Zwänge und Zwangsstörungen

Zwangsstörungen sind im Kindes- und Jugendalter relativ häufig. Während die leichteren Formen in der Regel ambulant behandelt werden können, ist in einigen Fällen auch eine stationäre Psychotherapie notwendig und sinnvoll.

Was ist eine Zwangsstörung?

Nahezu jeder kennt Gedanken wie: "Ist der Ofen wirklich aus?" oder "Habe ich die Tür abgeschlossen?", und die meisten Menschen haben aufgrund solcher Gedanken Dinge wie Ofen, Bügeleisen, Tür etc. zur Sicherheit noch einmal kontrolliert. Dies ist zweifellos auch sinnvoll, denn fast jedem ist es irgendwann einmal passiert, dass er beinahe etwas Wichtiges übersehen hätte. Bei Menschen, die unter einer Zwangsstörung leiden, übersteigt dieses Verhalten jedoch deutlich ein Maß, das als sinnvoll bezeichnet werden könnte. Sie erleben solche Gedanken mit einer ganz anderen, sehr quälenden Intensität, was dazu führt, dass sie oft stundenlang bestimmte Rituale ausführen müssen, beispielsweise 10 oder 20 Mal kontrollieren müssen, ob der Ofen oder andere elektrische Geräte ausgeschaltet sind. Die Übergänge zwischen "normaler" Sorgfalt oder Umsicht und zwanghaftem Verhalten sind hierbei fließend. Entscheidend für die Diagnose einer Zwangsstörung ist, ob die Person ihr Verhalten eigentlich als unsinnig empfindet und unter deutlichen Einschränkungen im Alltag leidet.

Diagnostische Kriterien für die Zwangsstörung:

  • Es gibt einen inneren subjektiven Drang, bestimmte Dinge zu denken oder zu tun
  • Es existiert ein Widerstand von Seiten der betroffenen Person gegen diesen Drang.
  • Es besteht Einsicht in die Sinnlosigkeit der Gedanken bzw. Handlungen.
  • Die Zwangsgedanken bzw. Zwangshandlungen sind mit einer deutlichen Belastung/ Beeinträchtigung der Person verbunden.

Erscheinungsformen der Zwangsstörung

Zwänge können ganz unterschiedliche Bereiche betreffen. Besonders häufige Formen der Zwangsstörung sind:

Kontrollzwänge

Menschen mit Kontrollzwängen müssen immer wieder bestimmte Dinge nachkontrollieren, typischerweise elektrische Geräte, Wasserhähne, Türen, Fenster etc. Sie sind gequält von der vagen Befürchtung, etwas Schlimmes könnte passieren (z.B. das Haus brennt), und sie trügen dann die Schuld daran.

Waschzwänge

Hierfür ist die Angst vor Verseuchung oder Kontamination mit irgendwelchen Krankheiten oder ekelerregenden Stoffen typisch. Die betroffenen Personen betreiben exzessive Reinigungsrituale, wie vielfaches Händewaschen, Duschen, Haarewaschen, z.T. bis hin zu deutlichen Hautschädigungen

Zwangsgedanken

Hier erleben Betroffene Gedanken, Impulse oder Vorstellungen/Bilder, die als aufdringlich und unangenehm empfunden werden und erhebliche Angst auslösen. Relativ häufig sind Zwangsimpulse, die gegen gesellschaftliche Tabus verstoßen, wie aggressive oder sexuelle Gedanken. Personen, die unter diesen Zwängen leiden, haben meist große Angst, die Gedanken könnten ein Zeichen dafür sein, dass sie in der Lage sind, bestimmte, für sie schreckliche Dinge zu tun (z.B. jemanden angreifen, Gott verfluchen ...). Sie versuchen, diese Gedanken zu unterdrücken oder durch bestimmte Rituale (gedanklich oder durch Handlungen) zu entkräften.

Weitere Erscheinungsformen

Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Unterformen von Zwängen wie Zählzwang, Ordnungszwang, Sammelzwang, Wiederholungszwang, Zwang, sich rückzuversichern u.a.

Viele Betroffene schämen sich ihrer Zwänge und versuchen, sie geheim zu halten. Häufig denken sie, dass nur sie ein so absurdes Problem haben und dass niemand sie verstehen wird. Hier ist es wichtig zu wissen, dass Zwänge die vierthäufigste psychische Störung darstellen - somit nicht im geringsten selten sind - und dass mittlerweile gute Therapiemöglichkeiten bestehen. Für die Prognose der Behandlung spielt es keine Rolle, ob die Zwänge besonders bizarr erscheinen oder nicht. Viel wesentlicher ist es, ob die Betroffenen bereit sind, in der Therapie aktiv mitzuarbeiten.

Therapeutische Strategien für den Umgang mit Zwangsstörungen

Beziehungsaufbau und Diagnostik

Am Anfang der Therapie geht es vor allem darum, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und die vorliegenden Zwangssymptome genau zu erfassen. Hierbei werden Patienten in aller Regel zur Selbstbeobachtung angeleitet: Häufig erhalten sie beispielsweise die Hausaufgabe, über ihre Zwänge Protokoll zu führen oder aber einzelne Zwangssequenzen ganz genau nach Gedanken, Handlungen und Gefühlen zu analysieren.

Vermittlung eines Erklärungs- und Therapiemodells

Im Anschluss hieran erarbeiten wir gemeinsam mit dem Patienten ein auf ihn zugeschnittenes Modell der Aufrechterhaltung seiner Zwänge.
Eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der Zwangsstörung spielt in jedem Fall das Neutralisierungs- und/oder Vermeidungsverhalten. Denn dieses verhindert eine Auseinandersetzung des Patienten mit den Gefühlen von Angst, Unruhe, Unsicherheit etc. und somit auch die Entwicklung alternativer Bewältigungsstrategien. Zentraler Bestandteil der Therapie ist somit das Verhindern des Neutralisierungsverhaltens (der Zwangshandlungen oder des Vermeidungsverhaltens). Hierdurch steigt zwar kurzfristig die Intensität der unangenehmen Gefühle, langfristig aber können sich so die problematischen Bewertungen der Gedanken verändern, was bewirkt, dass diese weniger quälend empfunden werden und allmählich an Intensität und Häufigkeit nachlassen.

Konfrontationsübungen

In der folgenden Phase der Therapie wird der Patient darin angeleitet, sich gezielt von ihm als schwierig betrachteten Situationen auszusetzen und hierbei seine Zwangsrituale zu unterlassen. Betroffene fürchten hier meist, die Angst könne bis ins Unermessliche steigen oder gar nicht mehr nachlassen. Die Erfahrung, dass die Ängste sich nicht ins Unermessliche steigern sondern zu bewältigen sind, stellt einen wichtigen Zwischenschritt in der Therapie dar. Grundsätzlich werden Patienten in der Therapie niemals zu etwas gezwungen, wozu sie nicht selbst bereit sind. Aufgabe des Therapeuten ist es, ihn zu ermutigen und zu unterstützen.

Einbeziehung der Familienangehörigen

Gerade bei Kindern und Jugendlichen ist das Umfeld von den Symptomen einer Zwangserkrankung immer mitbetroffen. Deshalb ist es besonders wichtig, die Familienangehörigen in die Behandlung mit einzubeziehen.

Bearbeitung weiterer Problembereiche

Zusätzlich zu den auf den Zwang zugeschnittenen therapeutischen Interventionen werden schließlich weitere Problembereiche des Patienten bear-
beitet, wie Probleme im Bereich soziale Kompetenz, Kommunikation, soziale Kontakte, Abbau von Perfektionismus, Aufbau von Genussfähigkeit etc.